Scheinselbstständigkeit bei Freelancern
Für viele Freelancer ist die Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen eine attraktive Chance: internationale Projekte, flexible Arbeitsmodelle und neue Märkte. Doch gerade bei solchen grenzüberschreitenden Aufträgen lauert ein oft unterschätztes Risiko – die Scheinselbstständigkeit.
Wer als Freelancer formal selbstständig tätig ist, tatsächlich aber wie ein Angestellter in den Betriebsablauf eines Unternehmens eingebunden ist, läuft Gefahr, nach deutschem Recht als abhängig beschäftigt eingestuft zu werden. Die Folgen sind gravierend: rückwirkende Nachzahlungen an die Sozialversicherung, der Verlust des Selbstständigenstatus – und mitunter sogar strafrechtliche Konsequenzen.
Besonders tückisch: Ausländische Auftraggeber kennen die deutschen Regelungen häufig nicht – und überlassen es dem Freelancer, die rechtliche Absicherung zu klären. In diesem Beitrag zeigen wir, worauf Selbstständige bei internationalen Aufträgen achten müssen, wie man eine Scheinselbstständigkeit erkennt – und wie man sich wirksam davor schützt.
Welche Folgen drohen?
Was wie eine Formalität klingt, kann schnell existenzbedrohend werden:
Stellt die Prüferin der DRV fest, dass ein vermeintlich freier Mitarbeiter tatsächlich abhängig beschäftigt, also scheinselbstständig, war, dann haftet der Arbeitgeber – in Kanzleien also der oder die Berufsträgerin – allein für alle Sozialversicherungsbeiträge. Und zwar rückwirkend für bis zu vier Jahre (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
Die Folge: Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile müssen vollständig nachgezahlt werden – selbst wenn der Arbeitnehmer seinen Anteil bereits ausgezahlt bekommen hat. Eine spätere Rückforderung ist praktisch ausgeschlossen (§ 28g Satz 3 SGB IV).
Und das ist nicht alles:
- Bei vorsätzlicher Vorenthaltung der Beiträge verjähren die Ansprüche erst nach 30 Jahren – mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
- Zudem kann der Verdacht auf eine Straftat nach § 266a StGB im Raum stehen – also Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt.
- Für den betroffenen „freien“ Mitarbeiter kann sich ebenfalls ein bitteres Nachspiel ergeben: War seine Vergütung höher als ein reguläres Gehalt, kann er zur Rückzahlung der Differenz verpflichtet werden.
Besonderheit bei ausländischen Auftraggebern
Wenn der Beschäftigte selbst zur „Arbeitgeberin“ wird
In besonderen Konstellationen – vor allem dann, wenn der Auftraggeber im Ausland sitzt – kann es dazu kommen, dass die in Deutschland tätige Person die Rolle des Arbeitgebers faktisch selbst übernehmen muss.
Zahlungspflicht für den gesamten Beitrag
Für die betroffene Person bedeutet das:
Sie muss den vollständigen Sozialversicherungsbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zunächst selbst zahlen – also deutlich mehr, als ein regulär angestellter Arbeitnehmer.
In solchen Fällen beantragt die zuständige Krankenkasse eine Betriebsnummer bei der Agentur für Arbeit, um das Beschäftigungsverhältnis korrekt zu erfassen. Dafür genügt zunächst eine formlose Mitteilung an die Krankenkasse, dass ein ausländischer Auftraggeber involviert ist und die Tätigkeit in Deutschland erbracht wird.
Aber: Es besteht grundsätzlich ein Erstattungsanspruch gegenüber dem ausländischen Auftraggeber in Höhe des Arbeitgeberanteils. In der Praxis ist das jedoch oft schwer durchsetzbar – insbesondere bei Auftraggebern außerhalb der EU oder bei solchen, die sich ihrer sozialversicherungsrechtlichen Verantwortung entziehen.
Fazit für Betroffene:
Wer für einen ausländischen Auftraggeber tätig ist und in Deutschland arbeitet, sollte frühzeitig klären, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt – und nicht blind auf die „freie Mitarbeit“ vertrauen.
Denn im Zweifel trägt die in Deutschland tätige Person das Risiko – sowohl rechtlich als auch finanziell.
Wie können wir helfen?
Unsere Kanzlei prüft für Sie die Verträge und die Gegebenheiten, um einschätzen zu können, ob ein Risiko für eine Scheinselbstständigkeit besteht. Ich berate Sie auch gerne bei der Gestaltung von Verträgen, der Statusklärung und im Fall einer Betriebsprüfung. Vermeiden Sie Risiken – lassen Sie sich beraten, bevor es die Rentenversicherung tut.